Epidiaspis leperii
Erstnachweis Deutschland: 1922
Herkunft: vermutlich Süd-/Südosteuropa
Ausbreitungsmodus: Windverfrachtung der Wanderlarven, Verbreitung mit Schnittgut
Angabe zur Quarantäneeinstufung: kein Quarantänestatus
Aussehen:
Die Rote Austernschildlaus zeigt einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus. Die Weibchen sind 1,4 – 1,8 mm lang, oval bis rundlich und weisen eine typische Rotfärbung auf. Da sie in der Regel unter einer schützenden Kruste aus Rinde, Algen oder Flechten leben, müssen sie zur Beobachtung erst durch Kratzen freigelegt werden.
Die Eier, die die Weibchen unter ihre Schilde ablegen, sind ebenfalls rötlich durchscheinend gefärbt. Die daraus schlüpfenden Wanderlarven sind länglich-oval und blass gelb.
Die Männchen der Roten Austernschildlaus besitzen ein stäbchenförmiges, weißes Schild und leben auf der verkrusteten Rinde. Ein starker Befall lässt sich daher häufig in Form eines weißlichen Belags erkennen.
Abbildung 1: Weibchen der Roten Austernschildlaus. Foto: Klaus Schrameyer
Abbildung 2: Ansammlung von Männchen. Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Verwechslungsmöglichkeiten:
Weibchen der Roten Austernschildlaus lassen sich durch die charakteristische Rotfärbung relativ einfach von anderen Deckelschildläusen wie z.B. der Maulbeerschildlaus (Pseudaulacaspis pentagona), die eine Orangefärbung aufweist, unterscheiden.
Lebenszyklus und Phänologie:
Die Rote Austernschildlaus durchläuft eine Generation pro Jahr und überwintert als adultes Weibchen. Die Eiablage findet von Ende April bis Anfang Mai statt und die Weibchen legen bis zu 40 Eier pro Tier unter ihrem Schild ab. Die Larven schlüpfen Mitte bis Ende Mai und besiedeln den Stammbereich, aber auch frische Triebe und Astpartien. Die Wanderlarven (Crawler) setzen sich Mitte bis Ende Juni fest, bilden krustenartige Beläge und beginnen mit der Schildbildung.
Abbildung 3: Lebenszyklus der Roten Austernschildlaus. Eine Ausbreitung der Art ohne Zutun des Menschen findet lediglich zwischen Mai und Juli statt, wenn die Wanderlarven („Crawler") auftreten. Grafik: Björn Lutsch (LTZ)
Wirtsspektrum:
Die Rote Austernschildlaus zeigt ein breites Wirtsspektrum und ist hauptsächlich an Bäumen aus der Familie der Rosengewächse zu finden:
· Obst: Pfirsich, Birne, Zwetschge, Mirabelle, Apfel
· Andere Gehölze: Walnuss, Weißdorn
An Kirsche konnte bisher noch kein Befall festgestellt werden.
Schadbild:
Leichte Befallsformen lassen sich nur schwer erkennen. Verkrustungen an Stämmen und Leitästen, unter denen die Weibchen sitzen, sind mögliche Merkmale. Diese können zusätzlich durch eine grau-weißliche Art von „Filz“, der durch die Männchen entsteht, überzogen sein. Deutliche Symptome treten erst bei starkem Befall auf. Dann kann die Rinde aufplatzen, woraufhin sich das Holz deutlich rot verfärbt zeigt. Ebenso gehören Gummifluss, das Vergreisen oder Absterben von Ästen oder des gesamten Gehölzes zu den Merkmalen eines massiven Befalls.
Abbildung 4: Durch starken Befall bedingte rötliche Verfärbung des Holzes und weißlicher Belag durch die Männchen. Foto: Mathias Bernhart (LRA Ortenaukreis)
Abbildung 5: Typische Symptome eines Befalls. Die Rinde erscheint verdreht und aufgewölbt. Fotos: Mathias Bernhart (LRA Ortenaukreis)
Wirtschaftliche Bedrohung:
E. leperii tritt europaweit als Obstschädling auf. In Frankreich verursacht die Rote Austernschildlaus wirtschaftliche Schäden an Birnen und Pflaumen, in Italien an Pflaumen und Oliven. Mit zunehmendem Dichterückgang der San José-Schildlaus (Diaspidiotus perniciosus) nahm die Bedeutung von E. leperii in Zentraleuropa proportional zu. Es ist davon auszugehen, dass E. leperii erst durch den Klimawandel zu einem wirtschaftlich relevanten Schädling wurde und sich dies in Zukunft noch verstärken wird.
Aktueller Stand des Schadens für Deutschland:
In Süddeutschland verursacht die Rote Austernschildlaus Schäden in Zwetschgen-, Mirabellen- und Birnenanlagen. Bislang wurde sie dort noch nicht an Kirschen oder Strauchbeeren gefunden.
Aktueller Stand der Verbreitung in Deutschland:
E. leperii kommt seit mehr als 100 Jahren im Rheingraben vor und breitet sich langsam auf natürlichem Weg aus. Wo sie sich etablieren kann, breitet sie sich flächendeckend aus. 2008 wurde sie erstmals an Mirabellen im Oberrheingraben und badischen Anbaugebieten entdeckt. 2010 wurde sie in denselben Gebieten zunehmend an Zwetschgen und 2015 auch an Birnen gesichtet. Sie ist mittlerweile im gesamten Rheingraben mit Ausnahme des französischen Teils und der Nordschweiz zu finden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das tatsächliche Verbreitungsgebiet größer ist und die Art häufiger auftritt als angenommen. Einen Hinweis darauf liefern aktuelle Ergebnisse aus Streuobstwiesen, die ihm Rahmen eines Monitoringprojekts auf die pilzliche Krankheit „Schwarzer Rindenbrand“ untersucht werden (https://ltz.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Kulturpflanzen/Schwarzer+Rindenbrand) und in denen die Rote Austernschildlaus auffällig häufig als Nebenbefund diagnostiziert werden konnte.
Eine aktuelle Verbreitungskarte ist auf der Website des LTZ Augustenberg zu finden (siehe weiterführende Links).
Natürliche Gegenspieler:
Natürliche Gegenspieler der Roten Austernschildlaus sind z.B. parasitoide Hymenopteren (Schlupfwespen) der Gattung Aphytis. Die Parasitoiden Aphytis spp. und Thomsonisca amathus sowie die räuberischen Gallmücken Lestodiplosis diaspidis und Dentifibula viburni zeigten in Rheinland-Pfalz Parasitierungsraten zwischen 1,2 % und 8,7 %. Zudem konnte eine Prädation durch Käferarten wie den Nieren- und den Strichfleckige Kugelmarienkäfer (Chilocorus renipustulatus bzw. C. bipustulatus) beobachtet werden.
Um die Wiederbesiedelung natürlicher Gegenspieler zu fördern, sollte geschnittenes Befallsmaterial unter den Bäumen belassen und nicht verbrannt oder gemulcht werden. Der Schnitt sollte hierbei in der Winterruhe vor dem Austrieb stattfinden, sodass kein Risiko für einen erneuten Befall besteht, da noch keine beweglichen Stadien des Schädlings auftreten.
Durch die Förderung natürlicher Gegenspieler und zusätzliche Einwanderung von ausgesetzten Nützlingsarten aus Italien können flächendeckende Effekte erzielt werden.
Danksagung
Die Untersuchungen des LTZ Augustenberg zur Ausbreitung und Biologie der Roten Austernschildlaus wurden im Rahmen des Verbundsprojekts „ProgRAMM“ durchgeführt. Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.
Weiterführende Links:
ProgRAMM: https://ltz.landwirtschaftbw.de/pb/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/ProgRAMM