Helicoverpa armigera
Erstnachweis Deutschland: Nicht nachvollziehbar
Herkunft: Südeuropa
Ausbreitungsmodus: Flug, internationaler Handel
Angabe zur Quarantäneeinstufung: ehemaliger Quarantäneschädling; Status jedoch aufgehoben
Aussehen:
Die adulten Falter haben einen gedrungenen Körper mit breiter Brust und sind 14 – 18 mm lang. Ihre Färbung ist braun bis braun-rot, wobei die Männchen deutlich blasser als die Weibchen erscheinen. Auf den Hinterflügeln zeigt sich ein breites, dunkles Saumband mit hellen Fransen. Charakteristisch sind die Makel (Flecken) auf den Vorderflügeln, die jedoch leichten Variationen unterliegen.
Die ausgewachsenen Larven werden bis zu 40 mm lang und können sehr unterschiedlich gefärbt und bebändert sein. Über den gesamten Körper verteilt lassen sich schwarze, mit Borsten besetzte, Warzen erkennen. Die Puppen dagegen sind unauffällig rotbraun gefärbt, bis zu 20 mm lang und besitzen zwei lange, beinahe parallele Dornen am Hinterleib.
Abbildung 1: Adulter Falter. Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Abbildung 2: Raupen des Baumwollkapselwurms. Anhand der verschiedenen Tiere zeigt sich die Variabilität innerhalb der Art. Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Abbildung 3: Puppen des Baumwollkapselwurms. Typisch sind die beiden langen Dornen am Hinterleib. Foto: Olaf Zimmermann.
Verwechslungsmöglichkeiten:
Adulte von H. armigera können mit anderen in Deutschland vorkommenden Eulenfalter wie der Bilsenkraut-Blüteneule (Heliothis peltigera) oder der Südlichen Blüteneule (Heliothis nubigera) verwechselt werden. Eine morphologische Unterscheidung ist über die Färbung der Tiere und Zeichnung der Flügel möglich, erfordert allerdings, je nach Individuum, eine gewisse Expertise. In der Praxis werden die Adulten in aller Regel erst nach Fang mittels Fallen identifiziert, wodurch sie sich häufig in schlechtem Zustand befinden. Dies erschwert die Diagnose weiter.
Larven hingegen lassen sich bei Befall der Kultur aus den geschädigten Wirtspflanzen extrahieren und so lebend bestimmen. Interessanterweise hilft hier die stark variable Färbung und Bänderung der Raupen bei der Diagnose. Werden viele Raupen im Bestand gefunden, die von den grundsätzlichen Merkmalen (Länge, Form, Borstenbesetzte Warzen) passen, aber in ihrer Färbung und Bänderung stark variieren, dann handelt es sich dabei erfahrungsgemäß sehr häufig tatsächlich um H. armigera.
Lebenszyklus und Phänologie:
Bei den in Deutschland einfliegenden Faltern handelt es sich um Populationen, die zuvor am Südrand der Alpen und in Südosteuropa (v.a. Ungarn) überwintert haben. Die ersten Falter kommen in Jahren mit günstigen klimatischen Bedingungen mittlerweile schon im Juli bei uns an. Eine Überwinterung im Freiland in Deutschland ist derzeit wohl nicht möglich.
Haben sie ein geeignetes Habitat gefunden, paaren sie sich und die Weibchen legen schließlich bis zu über 1000 Eier einzeln oder in Form von Gelegen auf den Wirtspflanzen ab. Die daraus schlüpfenden Larven durchlaufen 5 – 7 Stadien und fressen sich durch verschiedene Teile der Wirtspflanze. Das letzte Larvenstadium wandert am Stängel entlang Richtung Boden, wo es sich ca. 10 cm tief eingräbt und verpuppt. Die Entwicklungszeit von Eiern, Larven und Puppen ist stark von den klimatischen Bedingungen bzw. im Falle der Larven von der Nahrungsquelle abhängig. Larven entwickeln sich bei Temperaturen zwischen 12 und 38 °C. Aufgrund der fehlenden Überwinterung und des damit verbundenen späten Einfluges sind in Deutschland nur 1 – 2 Generationen möglich.
Wirtsspektrum:
Der Baumwollkapselwurm hat ein breites Wirtsspektrum mit Pflanzen aus über 40 verschiedenen Familien.
- Zierpflanzen: Nelken, Chrysanthemen, Pelargonien
- Gemüse: Paprika, Tomaten, Aubergine, Gurken
- Ackerfrüchte: Baumwolle, Tabak, Kartoffeln, Mais, Kohl, Raps, Bohnen
- Früchte: Citrus, Steinobst
Schadbild:
Schäden durch den Baumwoll-Kapselwurm entstehen durch den Minierfraß der Larven. Die Adulten nehmen keine Nahrung auf. In der Regel werden gleich mehrere Pflanzenteile befallen, da die jungen Larvenstadien eher an den Blättern und die älteren Stadien an den generativen Pflanzenteilen und Trieben fressen. Sekundärer Befall des geschädigten Gewebes durch Pilze und Bakterien kann die Schäden weiter erhöhen.
Abbildung 4: Schadbild an Mais aus Ungarn. Foto: Sándor Keszthelyi (Universität Kaposvár)
Abbildung 5: Schadbild an Tomate. Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Wirtschaftliche Bedrohung:
Durch das breite Wirtsspektrum und die hohe Vermehrungsrate unter günstigen Bedingungen kann es schnell zu einem Massenaufkommen des Baumwoll-Kapselwurms kommen. Problematisch ist vor allem der Fraß der älteren Larven an Trieben, Blüten, Knospen und Früchten. Da die beiden letzten Larvenstadien zudem bis zu 80 % der gesamten Nahrung aufnehmen, ist das Schadpotential des Baumwoll-Kapselwurms besonders hoch und kann bis zum Totalverlust führen.
In Mitteleuropa tritt diese Situation jedoch nur sehr selten ein. Vielmehr kommt es zwar zu regelmäßigen, aber eher geringen Schäden in verschiedensten Kulturen. Eine Ausnahme stellt Ungarn dar, wo H. armigera zu einem der wichtigsten Maisschädlinge geworden ist, nachdem es dort 1993 in Folge eines Massenaufkommens zur Etablierung einer lokalen Population kam.
Aktueller Stand des Schadens für Deutschland:
In Süddeutschland verursachte H. armigera 2003 teils starke Schäden in Gewächshäusern und im Freiland an Mais, Raps, Tabak sowie an Rosen und Chrysanthemen. Dies war die Folge eines massiven Zufluges aus Ungarn, wo sich die lokale Population aufgrund mehrerer aufeinanderfolgender Jahre mit besonders günstigen Bedingungen explosionsartig vermehren konnte. In den darauffolgenden Jahren beruhigte sich die Situation jedoch wieder. 2020 wurden wirtschaftlich relevante Schäden im Tabakanbau in Baden-Württemberg und an Zuckererbsen in Rheinland-Pfalz gemeldet.
Aktueller Stand der Verbreitung in Deutschland:
Da H. armigera aufgrund der fehlenden Überwinterung in Deutschland nicht etabliert ist, kommt es lediglich zu einem jährlichen Zuflug mit anschließender Bildung von lokalen und temporären Populationen. Diese können prinzipiell im gesamten Bundesgebiet auftreten. Eine Ausnahme stellt Südwestdeutschland dar, da die Falter dort über die Burgundische Pforte gesammelt einfliegen und im Rheingraben schnell auf geeignete Habitate mit günstigen Klimabedingungen treffen. Offen bleibt die Frage, ob es analog zu der Situation in Ungarn auch bei uns jederzeit zu einer Etablierung kommen könnte.
Eine aktuelle Verbreitungskarte ist auf der Website des LTZ Augustenberg zu sehen (siehe weiterführende Links).
Bekämpfungsmaßnahmen:
Aufgrund der versteckten Lebensweise ist die chemische Bekämpfung
schwierig. Für eine biologische Bekämpfung der Baumwoll-Kapseleule stehen gleich mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Larven lassen sich effektiv und selektiv mit Präparaten auf Basis von Bacillus thuringiensis abtöten. Schlupfwespen der Gattungen Trichogramma, Bracon und Campoletis, die als Endo- oder Ectoparasiten von Eiern und Larven auftreten, sind ebenfalls bekannt. Zudem werden Präparate mit entomopathogene Nematoden der Art Steinernema carpocapsae kommerziell angeboten.
Danksagung
Die Untersuchungen des LTZ Augustenberg zur Ausbreitung und Biologie des Baumwollkapselwurms wurden im Rahmen des Verbundsprojekts „ProgRAMM“ durchgeführt. Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.
Weiterführende Links:
ProgRAMM: https://ltz.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/ProgRAMM
LTZ Merkblatt: