Halyomorpha halys
Erstnachweis Europa: 2004 (Schweiz)
Erstnachweis Deutschland: 2011 (Konstanz)
Herkunft: Ostasien (China)
Ausbreitungsmodus: Waren- und Personentransport, natürlicher Flug
Angabe zur Quarantäneeinstufung: kein Quarantänestatus
Aussehen:
Die Adulten sind 12 – 17 mm lang mit einer braunen bis braun-rötlicher Grundfärbung und dunkler Marmorierung. Ihre Form ähnelt der von einheimischen Vertretern aus der Familie der Baumwanzen stark. Neben zwei Reihen mit jeweils 5 hellen Flecken auf dem Hals- und Rückenschild, sind auch die Zeichnung der Vorderflügelspitzen und die Färbung der Antennen gute Diagnosemerkmale. Bei der Marmorierten Baumwanze sind die Spitze des vorletzten sowie der Beginn des letzten Antennengliedes zu annähernd gleichen Anteilen Weiß, sodass die Färbung genau „im Knick“ liegt.
Die Eigelege der marmorierten Baumwanze umfasst typischerweise 28 Eier, die hell Türkis gefärbt sind und in der Regel auf der Blattunterseite abgelegt werden. Die daraus schlüpfenden Nymphen durchlaufen 5 Entwicklungsstadien. Während sich das 1. Nymphenstadium noch kaum von dem anderer Baumwanzen unterscheidet, lassen sich ab dem 2. Stadium arttypische dornartige Fortsätze am Rand des Körpers erkennen.
Abbildung 1: Adulte Marmorierte Baumwanze Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Abbildung 2: Erstes und Zweites Nymphenstadium um ein abgeschlüpftes Eigelege. Die frisch gehäuteten Wanzen erscheinen deutlich aufgehellt in Rot & Weiß. Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Verwechslungsmöglichkeiten:
Bei den Adulten kommt in unseren Breiten lediglich die Graue Gartenwanze (Raphigaster nebulosa) als möglicher Verwechslungskandidat in Frage. Bei ihr besitzen die Spitzen der Vorderflügel jedoch eindeutig erkennbare Punkte statt Striche und auch die Weißfärbung der letzten beiden Antennenglieder ist deutlich in Richtung des letzten Gliedes verschoben. Zudem besitzt die Graue Gartenwanze einen weißen, nach vorne gerichteten Dorn auf der Bauchseite, die zudem deutlich schwarz gepunktet ist.
Die Eigelege der Marmorierten Baumwanze ähneln der der Grünen Stinkwanze (Palomena prasina) stark, da sowohl Anzahl als auch Form praktisch gleich sind. Eier der Grünen Stinkwanze sind jedoch Grasgrün gefärbt und lassen sich daher im direkten Vergleich oder mit etwas Erfahrung gut unterscheiden. Leere Eihüllen beider Arten sind dagegen vollständig weiß und daher lediglich von Experten unter dem Binokular zu bestimmen, was allerdings trotzdem mit Unsicherheiten behaftet ist.
Abbildung 3: Merkmale zur Unterscheidung der Marmorierten Baumwanze (H. halys) gegenüber der Grauen Gartenwanze (R. nebulosa). Foto: Olaf Zimmermann (LTZ)
Lebenszyklus und Phänologie:
Die Marmorierte Baumwanze überwintert gut geschützt und in Gruppen als Adulte. Dafür suchen sie im Herbst Verstecke auf, die sie häufig in der Nähe des Menschen in Form von beispielsweise Gebäuden, Kisten oder Planen finden. Im Frühjahr, ca. ab Mitte April, verlassen sie ihre Verstecke, um sich ab ca. Mitte Mai zu paaren. Kurz darauf findet die Eiablage statt. Die darauf schlüpfenden Nymphen verbleiben zunächst dicht gedrängt auf dem Eigelege sitzen, werden jedoch mit jeder der 5 weiteren Häutungen aktiver und verteilen sich auf der Wirtspflanze und teilweise auch auf benachbarten Pflanzen. Erste Adulte der neuen Generation finden sich schließlich im August. Die Anzahl der Generationen hängt von der Witterung im Frühjahr und den klimatischen Bedingungen im Verbreitungsgebiet ab. In Süddeutschland sind unter günstigen Bedingungen 2, in Norddeutschland nur eine Generation im Freiland zu erwarten. Ab Mitte September beginnen die Wanzen schließlich zu Aggregieren, um sich Überwinterungsquartiere zu suchen.
Abbildung 4: Phänologie von H. halys. Grafik: Olaf Zimmermann (LTZ)
Abbildung 5: Lebenszyklus von H. halys. Grafik: Olaf Zimmermann (LTZ)
Wirtsspektrum:
H. halys saugt an Blättern und Früchten von über 300 Pflanzenarten aus allen Kulturbereichen. Durch Verschleppungen treten sie in neuen Verbreitungsgebieten in der Regel zunächst im städtischen Bereich auf. Dort findet man sie vor allem an Trompetenbäumen (Catalpa bignoniodes), Blauglockenbäumen (Paulownia tomentosa) und Lorbeerkirsch (Prunus laurocerasus). Die Präferenz für Wirtspflanzen variiert jedoch stark im Jahresverlauf und hängt von der Verfügbarkeit von Alternativen ab. So können Wirtspflanzen, die in einem Gebiet als besonders attraktiv erscheinen, an anderen Standorten kaum eine Rolle spielen, weil für die Wanze attraktivere Alternativen vorhanden sind. Ein häufiges Vorkommen an allgemein als eher weniger attraktiv geltenden Pflanzen kann zudem Indiz für eine starke Population gewertet werden.
Auswahl an Pflanzen, auf denen H. halys häufig anzutreffen ist:
- Obstbau: Apfel, Birne, Kirsche, Himbeere, Brombeere, schwarze und rote Johannisbeere, Kiwi, Pfirsich, Zwetschge, Zitrusfrüchte
- Ackerbau: Soja, Bohnen, Mais, Kartoffel, Spargel
- Gemüsebau: Paprika, Tomate, Aubergine
- Forst- und Zierpflanzen: Trompetenbau, Blauglockenbaum, Lorbeerkirsch, Wilder Wein, Hibiskus
Schadbild: Obst: Die frühen Saugschäden an Birnen verwachsen zu Verformungen oder Einschnürungen. Im erntereifen Zustand von Äpfeln bilden sich braune Stellen unter der Saugstelle.
- Gemüse: Bei Paprika und Tomate hellt sich die angestochene und ausgesaugte Stelle auf. Sie wirkt weißlich und schwammig und nimmt später eine Braunfärbung an.
Abbildung 6: Schadbild an Birne. Die im frühen Entwicklungsstadium angestochenen Stellen zeigen sich deutlich eingesunken. Foto: David Szalatnay (Strickhof; CH)
Abbildung 7: Typisches Schadbild an Paprika. Foto: G. Brust (University of Maryland; USA)
Wirtschaftliche Bedrohung:
Von H. halys angestochenes Obst und Gemüse ist nicht mehr vermarktungsfähig und ein starker Befall kann daher zu Totalverlust führen. Bei Strauchbeeren wie Himbeeren ist der Schaden optisch kaum zu erkennen, die Früchte schmecken aber bitter „nach Wanze“ und sind nicht mehr vermarktbar. So kam es 2019 in Südtirol zu Schäden von 500 - 600 Mio. € im Obst- und Gemüsebau. In der Schweiz gab es im Obstbau Wanzenschäden in Höhe von 3 Mio. Schweizer Franken. Zunehmend wird auch von großen Schäden im Haselnussanbau berichtet, da die Wanze in der Lage ist Hefepilze zu übertragen, der die Nüsse deformiert wachsen und muffig schmecken lässt, wodurch sie unvermarktbar werden.
Aktueller Stand des Schadens für Deutschland:
Die von der Marmorierten Baumwanze verursachten Schäden fallen unterschiedlich stark aus. Besonders in Süddeutschland kam es in den vergangenen Jahren zu teils existenzbedrohenden Schäden an Paprika, Tomaten und Auberginen im Unterglasanbau. Im Obstbau sind es vor allem Birnen, Äpfel und Pfirsiche, an denen wirtschaftlich relevante Schäden entstehen. Auch hier sind die im Hauptverbreitungsgebiet liegenden Anbaugebiete in Süddeutschland (Bodensee und Baden) besonders betroffen. Im Ackerbau sind dagegen keine nennenswerten Schäden bekannt. Aufgrund der bereits zuvor angesprochenen Übertragung von Hefepilzen auf Haselnüsse, kam es am Kaiserstuhl bereits zu starken Schäden im Haselnussanbau.
Aktueller Stand der Verbreitung in Deutschland:
Die Marmorierte Baumwanze ist im Südwesten Deutschlands etabliert und kommt mittlerweile im Rheingraben, mittleren Neckarraum und der Bodenseeregion flächendeckend vor. Auch das Rheingebiet in NRW und die Region um München sind mittlerweile Befallsschwerpunkte. Gegenwärtig bauen sich Populationen in zahlreichen Städten wie Dresden, Leipzig, Berlin, Hannover und jüngst auch Hamburg auf.
Eine aktuelle Verbreitungskarte findet sich auf der Website des LTZ Augustenberg (siehe weiterführende Links).
Bekämpfungsmaßnahmen
Derzeit sind in Deutschland keine effektiven Insektizide mit einer Indikation gegen Wanzen dauerhaft zugelassen. Eine chemische Bekämpfung ist daher lediglich über den Weg einer jährlich neu zu erteilenden und zeitlich begrenzten Notfallzulassung möglich, wodurch es keine Planungssicherheit geben kann. Das Einnetzen von Kulturen im Freiland und das Verschließen bzw. Abschotten von Eintrittspforten in Gewächshäusern ist daher aktuell die einzige dauerhafte Möglichkeit, die Kulturen vor der Wanze zu schützen. Der Erfolg hängt dabei jedoch stark von der Sorgfältigkeit der Maßnahmen ab, die zudem hohe Kosten bzw. Aufwand mit sich bringen.
Natürliche Gegenspieler:
Parasitoide Hymenopteren (Schlupfwespen) aus Asien kommen als natürliche Gegenspieler zur biologischen Bekämpfung infrage. Die „Samuraiwespe“ Trissolcus japonicus ist ein Eiparasitoid und zeigt in China eine Parasitierungsrate an Eiern von H. halys von 70 %. Sie wurde nach Europa und Nordamerika mit verschleppt und baut sich dort lokal auf. In Italien wurde auch die wirksame asiatische Art Trissolcus mitsukuri nachgewiesen. 2017 wurde T. japonicus in der Schweiz und 2020 schließlich auch in Deutschland nachgewiesen, wo sie mittlerweile in mehreren Bundesländern vorkommt. Dies weist auf eine dauerhafte Etablierung und zügige Verbreitung aus eigener Kraft hin. In Italien und der Schweiz wurden bereits erste Freisetzungsversuche durchgeführt, um die natürliche Ausbreitung von T. japonicus zu unterstützen. Auch in Deutschland wurde bereits 2020 ein Antrag gestellt, der Freisetzungen unter bestimmten Bedingungen ermöglichen soll. Eine Entscheidung in diesem Verfahren steht jedoch noch aus.
Danksagung
Die Untersuchungen zur Ausbreitung und Biologie der Marmorierten Baumwanze des LTZ Augustenberg wurden im Rahmen des Verbundsprojekts „ProgRAMM“ durchgeführt. Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.
Weiterführende Links:
ProgRAMM: https://ltz.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/ProgRAMM
EPPO: https://gd.eppo.int/taxon/HALYHA