Ungräser Kontrolle und Planung für die Zukunft
Die Tendenz der letzten Jahre setzt sich leider fort. Kaum eine Gemarkung präsentiert sich zurzeit ganz ohne blühenden Ackerfuchsschwanz, Windhalm, Weidelgras oder Trespen. Ist in diesem Frühjahr eine Herbizidmaßnahme mit blattaktiv wirkenden Wirkstoffen (Accace- oder ALS- Hemmern) durchgeführt worden und auf der Fläche ist die Wirksamkeit nicht gleich 100%, so ist der Selektionsdruck in Richtung in-sensitive Ungräser (Resistente) weiter voran geschritten. Schreitet die Blüte jetzt ungehindert fort und die Ungräser samen aus, so geben die Ungraspflanzen diese erlernte/selektierte Widerstandsfähigkeit gegen Herbizide einer oder mehrerer Wirkmechanismen an die nächste Generation weiter. Auf den Flächen ist in den folgenden Jahren dann mit einer deutlich herabgesetzten Wirksamkeit zurechnen. Deswegen sollten jetzt alle Flächen begutachtet werden und schon frühzeitig ein Flächen oder Betriebskonzept konzipiert werden, um dem sowohl pflanzenbaulich, wie auch mit allen anderen tangierenden Maßnahmen entgegen zu wirken. Bei der Eingrenzung von Ungrasproblemen ist das Feldrand mähen oder mulchen förderlich auch wenn dieses Jahr zwei Durchgänge erforderlich werden. Aufgrund dessen das nicht immer hundert prozentige Rechtssicherheit gegeben ist, sind einheitliche Empfehlungen diesbezüglich schwierig.
Sind Flächen massiv durch Ungräser verseucht sollte auch wenn die Blüte schon teilweise vorüber ist und die Gefahr von keimfähigen Gräsersamen z.B. AFU besteht, noch über eine GPS Nutzung nachgedacht werden. Langfristig ist dies billiger als den Sameneintrag von 400-600 Samen pro Ackerfuchsschwanzähre in den Bodenvorrat zu tolerieren. Wird der Sameneintrag dennoch in Kauf genommen, dann sollte das Nachernte-Management so ausgelegt werden, das maximal viele Samen in der nächsten Zeit auflaufen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nach der Ernte zunächst keine Bodenbearbeitung erfolgen darf und das Stroh auf der Fläche verbleiben muss. Über anhaftende Samen im Stroh kann sonst eine weitere Verschleppung von teilweise multiresistent Samen erfolgen. Um das Verschleppungsrisiko weiter zu verringern, sollte die Mähdruschplanung so erfolgen, dass von „sauber“ nach „dreckig“ geerntet wird. Flächen welche am schlimmsten befallen sind sollten so ganz zum Schluss geerntet werden. Das ermöglich das Abends oder am nächsten Morgen die Option besteht, alle Dreschorgane in denen sich Unkrautsamen befinden können, gründlich gereinigt werden können.
In feuchten Jahren oder bei Niederschlägen über 20mm ist grundsätzlich ein Auflaufen der ausgefallen Samen möglich. Es ist jedoch zu bedenken, dass jedes Monokotyle Schadgras eine gewisse Keimruhe besitzt, welche je nach Ungras unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Welches Weidelgras kann theoretisch 3-6 Wochen nach dem Ausfallen keimen (im direkten Anschluss an die Getreideernte), wohin gegen AFU oft 8-10 Wochen benötigt. Umso früher die Schadgräser ihre generative Entwicklung durchlaufen haben, desto früher ist ein Auflaufen theoretisch möglich. Der Vegetationsvorsprung von 2-3 Wochen in diesem Jahr, kann in dem Fall bei der Bekämpfung ein Vorteil sein. Falls nach der Ernte eine Bearbeitung oder Strohverteilung erfolgen soll, so sollte dies minimal invasiv sein. Eine Bodenbearbeitung oder das Bedecken von Samen mit Boden löst in manchen Unkrautsamen die Sekundäre Keimruhe aus. Dies führt zunächst zu einem „Winterschlaf“ der Samen und ein Auflaufen im Ausfalljahr ist dann nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund sollte vorzugsweise ein Strohstriegel oder ein Mulcher eingesetzt werden. Im Idealfall wie in 2023 ist mit einem Auflaufen in früh gedrillten Kulturen wie Raps und Gerste, Mitte/Ende August zu rechnen. Bei später gedritteltem Getreide kann sich das Auflaufen nach hinten verschieben. Hat z.B. der AFU dann das 2 Blattstadium erreicht, ist damit zu rechnen, das die erste Welle aufgelaufen ist und ein zweiter flacher Arbeitsgang erfolgen könnte. Da die Auflaufraten vom 15.9-10.10 für alle Schadgräser am höchsten sind, bietet sich hier um einen Samenauflauf zu provozieren, eine Bearbeitung an. Um die Auflaufraten zu maximieren sollte auf ein feinkrümeliges Saatbeet, welches ausreichend rückverfestigt ist, geachtet werden. Häufig ist in den Betrieben das Arbeitsgerät was am flachsten und flächig arbeiten kann die Kreiselegge. Das Saatbeet sollte immer zur Samengröße passen und im Idealfall dem von Raps entsprechen.
Fallen hingegen von Samenreife bis zum 15. Sep. Weniger als 50mm verzögert sich das Auflaufen sehr oft. Auf befallen Flächen oder Flächen mit hohem Bodensamenvorrat sollten September oder frühe Oktobersaaten überdacht werden. Mit den zurzeit verfügbaren Bodenwirkstoffen (Flufenacet, Diflufenican, Prosulfocarb, Aclonifen, Chlortoluron, Beflubutamid) welche im absoluten Vorauflauf (2-4 Tage nach der Saat) eingesetzt werden, können unter ideal Bedingungen 92-99% (80-95% unter nicht idealen) Wirkungsgrade erzielt werden. Zumal das immer weitere Stapeln von Wirkstoffen auch bei idealer Saatgutablage irgendwann die Verträglichkeit beeinträchtigt. Deswegen ist es unerlässlich, das der Samenauflaufdruck im Vorfeld so stark wie möglich dezimiert wird. Laufen 100 oder mehr Ungrassamen pro Quadratmeter auf, so ist trotz Bodenherbizid oft keine zufriedene Wirkung zu erreichen. Um die Wirksamkeit des Bodenherbizids zu testen, sollte auch wenn es schwer fällt, ein Spritzfenster angelegt werden. Damit sind Rückschlüsse auf die Wirkung als auch den Unkraut-Druck in der Zukunft zu ziehen. Sind auf verseuchten Flächen keine Ungräser bis zu Saat aufgelaufen sollte über eine Saatverschiebung, Scheinsaat oder eine späte Zwischenfrucht nachgedacht werden. Letzte hätte den Effekt einer Scheinsaat in dem dann weitere Gräser auflaufen. Sind Ungräser aufgelaufen müssen diese mechanisch oder chemisch vor der Saat, beseitigt werden. Wird dies nicht getan und die Gräser überleben die Vorwergzeuge der Sämaschine, haben diese nicht nur einen vegetativen Vorsprung, schlimmer noch, sie werden durch die Wirkungsweise der Bodenherbizide (Hypokotyle-Aufnahme etc.) nicht mehr ausreichend erfasst.
Auf Betrieben welche nicht regelmäßig pflügen kann ein tiefes sauberes Pflügen. (Langsam fahren, enge Schnittbreite) eine einmalige Erleichterung bringen. Bei korrekter Einstellung werden die Samen dann durch Vorschäler in tiefe Bodenschichten vergraben und verschüttet. Danach sollte der Pflug auf der Fläche nicht mehr eingesetzt werden solange die Keimfähigkeit der Ungrassamen besteht. Sonst besteht die Gefahr des wieder „Hoch-pflügens“ und der Effekt des sauberen Tisches verblasst. (Weidelgras 3-6 Jahre, Windhalm 2-6 Jahre, Trespen 2-4 Jahre, Afu 2-8 (12) Jahre)
Erste Nachbehandlung im Herbst ein muss!
Überschreiten die Gräser das 3-Blatt Stadium (Ausnahme Windhalm welcher auch im Nachauflauf später bis BBCH 12/13 gut bekämpfbar ist) sollte im Herbst eine Nachlage mit Accase- oder ALS-Hemmern erfolgen. Nicht nur das die Monoktylen-Ungräser ähnlich wie unsere Getreidearten mit fortschreitender Entwicklung ein tieferes Wurzelwachstums entwickeln, die Entgiftungsleistung/Herbizidtoleranz steigt mit zunehmender Biomasse. Erreichen die Nebentriebe 3 Blätter so besitzen auch diese oft ein eigenes Wurzelsystem welches einen synergetischen Effekt hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit bewirkt. Neben den Wirkstoff spezifischen Temperaturansprüchen spielen die in den Kulturen zugelassenen Produkte die entscheidendste Rolle. Für ALS-Hemmer wie Mesosulfuron (Atlantis OD, Niantic) sollte noch min. 10 Tage vegetatives Wachstums herrschen, damit die Getreidearten den Wirkstoff entgiften können. Hingegen können ACCase –Hemmer (Pinoxaden, Clodinafop), auch bei deutlicher niedrigeren Temperaturen eingesetzt werden. Die „Nikolaus-Spritzung“ ins Vegetationende hat dabei den Vorteil, dass die Wirkstoffe der Gruppe der Accase-Hemmer in den Ungräsern nicht aktiv abgebaut werden können, gleichzeitig aber die Safener in den Produkten das Getreide vor Schäden schützen. Deshalb erreichen die Niklaus-Spritzungen oft trotz bestehender Resistenz höhere Wirkungsgrade. Wird mit der Nachbehandlung bis ins Frühjahr gewartet, so haben die Gräser noch min. weitere 2 Monate die Möglichkeit weiter zu wachsen und Biomasse zu bilden. Die Vergangenheit zeigt weiter, dass wenn dann der Februar Termin verpasst wird, eine Behandlung um April oft keine nennenswerten Wirkungsgrade mehr erzielt.
Gräser sind in absteigender Reihenfolge in den Kulturen bekämpfbar Weizen > Triticale> Roggen> Gerste > Hafer in den Blattfrüchten Raps(Accase, Kerb Flo)> Rübe(Accace, Bodenwirkstoffe)> Mais (ALS, Bodenwirkstoffe)
Um besser zu wissen, was auf den einzelnen Schlägen noch gegen die Ungräser wirkt bieten sich Resistenzproben der Gräser an. Hierbei wird genau analysiert bei welche blattaktiv wirkenden Wirkstoffen von einer Wirkung auszugehen ist und es kann darauf die Strategie ausgetüftelt werden.
Andreas Hommertgen, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) RNH