Quarantäneschadorganismen
Die Frühjahrssaison steht unmittelbar bevor. Stecklinge zur Weiterkultur werden geliefert bzw. sind getopft und befinden sich in der Anzucht.
Nicht nur eine optimale Kulturführung, sondern die strikte Einhaltung von Hygienemaßnahmen und der Zukauf gesunder und qualitativ hochwertiger Stecklinge und Pflanzen sind entscheidend für den Erfolg in der Zierpflanzenproduktion. Jungpflanzen von Zierpflanzen werden weltweit produziert. Viele Jungpflanzenvermehrungsbetriebe nutzen die besseren Klimate, günstigeren Lichtverhältnisse und höheren Temperaturen der südlichen Länder. Tausende Stecklinge, vor allem von Pelargonium, Poinsettia und Impatiens, werden u.a. in Israel, Mexico, Kenia oder auf Gran Canaria produziert und in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union exportiert. Durch diesen weltweiten Handel mit pflanzlicher Ware wächst natürlich auch das Risiko der Einschleppung und Verbreitung neuer und gefährlicher Schaderreger.
Die Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung erfolgt durch strenge phytosanitäre Kontrollen bei der Einfuhr pflanzlicher Ware aus Nicht-EU-Ländern und visuelle Kontrollen der Pflanzenbestände während der Vegetation in den Produktionsbetrieben durch die zuständigen Pflanzenschutzdienste und die Produzenten selbst.
In der Pflanzenbeschauverordnung (PBVO) sind die Einfuhr und das innergemeinschaftliche Verbringen, einschließlich des Pflanzenpasssystems, für Deutschland gesetzlich geregelt. Bei Schaderregern mit einem Quarantänestatus sind die wirtschaftlichen Risiken bekannt, sie unterliegen gesetzlichen Regelungen und sind in der PBVO i.V.m. den Anhängen I und II der Richtlinie 2000/29/EG aufgeführt.
Bisher neue und unbekannte Schaderreger verdienen besondere Aufmerksamkeit, weil deren Schadpotenzial nicht bekannt ist. Ganz wichtig ist ein funktionierendes System der frühzeitigen Information von Produktion, Handel und Forschung sowie Pflanzenschutzbehörden, um Risiken zu analysieren und effektive Maßnahmen zu ergreifen.
Die Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) führt eine Warnliste (Alert List), in der neue, gefährliche Schaderreger mit hohem Schadpotenzial aufgeführt sind.
Gemäß § 1a der PBVO ist jeder, der im Rahmen seines beruflichen oder gewerblichen Umgangs mit Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen vom Auftreten oder den Verdacht des Auftretens von Quarantäneschadorganismen und neuen Schaderregern Kenntnis erhält, verpflichtet, dies der zuständigen Behörde anzuzeigen.
Hier eine Auswahl von neuen Schaderregern, die bei der EPPO gelistet sind und Quarantäneschadorganismen an Zierpflanzen:
Pilzliche Erkrankungen
- Das Auftreten von Fusarium foetens an Begonia Elatior Hybriden wurde in den vergangenen Jahren in Deutschland nachgewiesen. Befallene Pflanzen zeigen Wuchshemmungen, fettig glänzende Blätter, die später vergilben und welken. Im Endstadium bricht die Pflanze völlig zusammen und Sporenlager werden am Stängel sichtbar. Die Krankheit verursacht hohe Ausfälle und große wirtschaftliche Schäden, nur die vollständige Vernichtung befallener Pflanzen und gründliche Desinfektionsmaßnahmen können eine Ausbreitung verhindern.
- Der bekannte pilzliche Erreger Puccinia horiana – Weißer Chrysanthemenrost spielt bei der Anzucht von Chrysanthemenbeständen nach wie vor eine große Rolle. Pflanzen zum Anpflanzen unterliegen den Quarantänebestimmungen der Pflanzenbeschauverordnung (§ 3 PBVO i.V.m. Anhang II Richtlinie 2000/29/EG) und dürfen bei Befall nicht verbracht werden. Jungpflanzenbestände sind unbedingt auf Befall zu kontrollieren. Die Ascochyta - Krankheit der Chrysantheme – Didymella ligulicola ist als Quarantäneschaderreger (§ 3 der PBVO i.V.m Anhang II der Richtlinie 2000/29/EG) gelistet. Pflanzen von Dendranthema, zum Anpflanzen bestimmt, müssen frei von diesem Erreger sein. Die lokale Verbreitung erfolgt durch infizierte Stecklinge (Bild 2, Pflanzen und Blüten. Das Stängelgewebe, die Blütenknospen und Blüten sind verbräunt, z.T. verfault, auf den Blättern sind rötlich – braune Läsionen, bei fortgeschrittenem Befall Pyknidien sichtbar. Weitere Wirtspflanzen des Erregers sind Dahlia, Rudbeckia und Zinnia.
- Stecklingslieferungen sind vor allem an den Triebspitzen auf Symptome zu kontrollieren. Befallene Pflanzen sind zu vernichten.
- Auch die Welkekrankheit der Edelnelke – Phialophora cinerescens ist ein gelisteter Quarantäneschaderreger (§ 3 der PBVO i.V.m. Anhang II der Richtlinie 2000/29/EG).
- Pflanzen von Dianthus, zum Anpflanzen bestimmt, müssen frei von diesem Erreger sein. Die Verbreitung bzw. Einschleppung erfolgt über infizierte Nelkenstecklinge. Erste Anzeichen sind welkende Pflanzen. Beim Schneiden des Stängels ist ein bräunlich verfärbter Gefäßbündelring sichtbar. Der Erreger ist bodenbürtig und sporuliert bei Temperaturen zwischen 18 und 23°C. Die Krankheit entwickelt sich vorwiegend zwischen November und Mai.
- Die Vernichtung befallener Pflanzen ist die einzig sichere Bekämpfungsmaßnahme.
Bakterielle Erkrankungen
- Der bakterielle Erreger Ralstonia solanacearum – Schleimkrankheit hat einen großen Wirtspflanzenkreis und ist bei Pelargonien von wirtschaftlicher Bedeutung. Das Auftreten ist meldepflichtig und unterliegt Quarantänemaßnahmen (§ 3 der PBVO i.V.m. Anhang I der Richtlinie 2000/29/EG). Befallene Pflanzen zeigen eine Schirmwelke, häufig auch V – förmige Nekrosen am Blattrand. Aus aufgeschnittenen Stängeln tritt weiß – gelber Bakterienschleim. Die Gefahr der Verschleppung besteht vor allem durch infizierte Stecklinge.
- Ein ähnliches Schadbild zeigt ein Befall mit dem bakteriellen Erreger Xanthomonas campestris (hortorum) pv. pelargonii – der bedeutendsten Erkrankung der Pelargonie. Trotz aller Bemühungen zur Verhinderung von Infektionen tritt diese Erkrankung immer wieder in Erscheinung. Auch 2010 gab es einige Schadensfälle im Land Brandenburg. Der Befall kann sich in zwei verschiedenen
- Symptomausprägungen zeigen. Das klassische Erscheinungsbild ist die erwähnte Schirmwelke. Gelangen die Bakterien auf die Blätter, entstehen Blattnekrosen. Die Jungpflanzenlieferungen müssen von einem Pflanzenpass begleitet sein. Hygienemaßnahmen sind von entscheidender Bedeutung, die Verschleppung im Betrieb erfolgt häufig durch Pflegemaßnahmen und Bewässerung.
- Eine weitere Xanthomonas – Art, Xanthomonas axonopodis pv. poinsettiicola ist bei Euphorbien von wirtschaftlicher Bedeutung. Die Krankheit birgt ein hohes phytosanitäres Risiko und verursacht unregelmäßige, eckige, erst dunkelgrüne, später braune Blattflecken. Auch hier ist Vorsicht geboten und die wichtigste Abwehrmaßnahme das gründliche Aussortieren kranker Pflanzen.
Viruskrankheiten
- Das Potato spindle tuber viroid (PSTVd) - Kartoffelspindelknollen – Viroid tritt seit einigen Jahren an Zierpflanzen der Familie Solanaceae auf. Im Land Brandenburg gab es Nachweise an Calibrachoa.
- Mit dem PSTVd – infizierte Zierpflanzen zeigen augenscheinlich keine Symptome, demzufolge ist die Gefahr der Infektion gesunder Solanaceen im Betrieb besonders hoch. Große wirtschaftliche Schäden können vor allem bei Tomaten und Kartoffeln auftreten. Infizierte Tomatenpflanzen zeigen Verzwergungen, Blattverdrehungen, Blattvergilbungen und – kräuselungen, die Früchte bleiben klein bzw. die Fruchtbildung bleibt völlig aus. Bei Kartoffeln kommt es zu erheblichen Wachstumsstörungen und zur Ausbildung sehr kleiner, spindelförmiger Knollen.
- Die Übertragung des Virus erfolgt durch vegetative Vermehrung, über Saatgut und mechanisch.
- Die Europäische Union hat umfangreiche Maßnahmen gegen die Ausbreitung eingeleitet, die Krankheit unterliegt strengen Quarantänebestimmungen (§ 3 PBVO i.V.m. Anhang I der Richtlinie 2000/29/EG) und ist meldepflichtig.
- Vom Impatiens necrotic spot virus (INSV) können zahlreiche Zierpflanzen befallen werden, zum Beispiel Begonia, Aster, Impatiens, Pelargonium, Nemesia – Hybriden, Petunia – Hybriden, Verbena und Chrysanthemum.
- Befallene Pflanzen zeigen typische Virussymptome wie Chlorosen, Nekrosen, ringförmige Flecke und verkrüppelte Blüten.
- Auch hier erfolgt die Übertragung über infizierte Jungpflanzen und mechanisch. Allerdings ist die Verbreitung durch Thripse, vor allem Franklinella occidentalis, von großer Bedeutung, Blautafeln zur Kontrolle des Thripsbefalls sollten genutzt werden.
- INSV tritt häufig vergesellschaftet mit dem Tomato spotted wilt virus – TSWV auf.
- TSWV ist ein gelisteter Quarantäneschaderreger (§ 3 PBVO i.V.m Anhang II der Richtlinie 2000/29/EG). Das Einschleppen und Verbringen von mit diesem Virus befallenen Pflanzen von Dendranthema und Impatiens sind verboten. Die Übertragung erfolgt wie bei INSV, auch die Symptome sind ähnlich (Aufhellungen, blasse, konzentrische Ringe auf Blättern und Blattstielen). Zu den Wirtspflanzen zählen zahlreiche Zierpflanzen, u. a. Aster, Begonia, Dahlia, Petunia, Zinnia.
- Beide Virosen spielen auch im Gemüsebau eine große Rolle. Die Anzucht von Gemüse und Zierpflanzen sollte nicht in unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen. Thripse sind sorgfältig zu kontrollieren und zu bekämpfen. Erkrankte Pflanzen sind zu vernichten.
- An Chrysanthemen sind noch zwei weitere Virosen von großer wirtschaftlicher Bedeutung Das Chrysanthemum stunt viroid – CSVd (Chrysanthemenstauche) und der Chrysanthemum stem necrosis virus - CSNV haben gemäß § 3 der PBVO i.V.m. Anhang II der Richtlinie 2000/29/EG Quarantänestatus. Bei Befall mit diesen Viren dürfen Chrysanthemenpflanzen nicht verbracht werden.
- CSVd wird durch infiziertes Vermehrungsmaterial verbreitet, er ist sehr leicht mechanisch übertragbar. Befallene Pflanzen sind gestaucht, die Blüten klein, verblasst und verkümmert, die Blätter verkräuselt. Der Erreger ist extrem hitzestabil und wird erst bei Temperaturen um 90-100° abgetötet. Im August 2010 wurde vom Pflanzenschutzdienst Österreichs ein Befall mit diesem Virus an Solanum jasminoides gemeldet.
- CSNV ist durch Thripse, vor allem Franklinella occidentalis, übertragbar. Im März 2010 meldete Großbritannien einen Befall an Stecklingen aus Brasilien. Nekrotische Streifen auf den Stängeln und Blättern, starke Welke ganzer Teile von Pflanzen sind das typische Schadbild dieser Viruserkrankung.
Eine regelmäßige visuelle Kontrolle der Pflanzenbestände auf das Vorhandensein von Schadsymptomen ist eine wichtige Voraussetzung, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.
Nutzen Sie für weitere umfangreiche Veröffentlichungen das Informationsportal der Pflanzengesundheitskontrolle www.isip.de/pgk-bb