Entwicklung, Gefährdung und Erhaltungsmöglichkeiten Tiergenetischer Ressourcen (TGR)
Was sind Tiergenetische Ressourcen?
Tiergenetische Ressourcen sind Haus- und Nutztiere und freilebende Tiere (Wildtiere), soweit diese in Ernährung, Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft von Nutzen sind oder sein können.
Bedeutung von TGR
Tiergenetische Ressourcen besitzen eine große Bedeutung für Wertschöpfungskette in der Landwirtschaft und als genetische Grundlage für künftige Anforderungen an die Ernährung des Menschen. Die ökologische Bedeutung liegt in der Nutzung angepasster Landrassen in Naturschutz und Landschaftspflege, beispielsweise für eine ressourcenschonende Beweidung. Nicht zuletzt wird der über Generationen und Jahrtausende entstandenen tiergenetischen Vielfalt bei den Haus- und Nutztierrassen ein hoher kultureller Wert zugeschrieben. Sie zählen als ein zu schützendes Kulturgut, ähnlich wie Bau- oder Naturdenkmäler.
Entwicklung und Gefährdung von TGR
Die genetische Vielfalt der Nutztierrassen nimmt weltweit rapide ab. Nach Angaben der Gesellschaft zu Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) stirbt jede Woche mindestens eine Nutztierrasse aus. Laut Welternährungsorganisation FAO sind weltweit 7.616 Tierrassen gemeldet, davon sind circa 20% als gefährdet eingestuft. Von den zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa verbreiteten Tierrassen sind bereits etwa die Hälfte ausgestorben und damit unwiederbringlich verloren gegangen. Ein Drittel der noch existierenden 770 Tierrassen ist als stark gefährdet einzustufen.Gründe für diese Entwicklung sind in der Intensivierung der Agrarproduktion sowie der Änderung der Produktions- und Lebensweisen zu finden. Früher waren Haus- und Nutztiere vielfältig im landwirtschaftlichen Betrieb mit eingebunden. Rinder beispielsweise wurden nicht nur für ihre Milch- und Fleischleistung geschätzt, sondern auch als Zugtier für Wagen und Pflug. Mit der Industrialisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft setzte eine Spezialisierung zur einseitig ausgerichteten Leistungszucht ein. Es erfolgte eine Konzentration auf wenige wirtschaftliche Hochleistungsrassen. Dadurch ist eine Vielzahl von alten lokalen Nutztierrassen ausgestorben oder nur noch in kleinen Restbeständen vorhanden. Das Deutsche Weideschwein z.B. ist seit einigen Jahren ausgestorben, das Angler-Sattelschwein ist bis auf wenige Exemplare verschwunden.
Situation in Deutschland
48.000 Tierarten sind in Deutschland nachgewiesen worden. Die Gruppe der Wirbeltiere, zu denen die Haus- und Nutztiere ausnahmslos gehören, umfasst in Deutschland etwa 700 Arten. Jedoch nur 11 dieser Arten bilden die Grundlage für 95% der tierischen Produktion in Deutschland. Von den 63 in Deutschland heimischen Rassen von Pferd, Rind, Schwein, Schaf und Ziege gelten 52 Rassen als gefährdet. Damit sind insgesamt 83 % dieser Einheimischen Nutztierrassen gefährdet. Drei der vier einheimischen Ziegenrassen und 19 der 21 einheimischen Schafrassen gelten als im Bestand bedroht. Für die Bestandsentwicklung und Planung von Erhaltungsmaßnahmen ist es wichtig, dass Informationen und Bewertungen des Gefährdungsstatus der jeweiligen Rassen vorliegen. Hierfür gibt es Rote Liste, die auf globaler, europäischer und nationaler Ebene erarbeitet werden.
Tab. 1: Gefährdete Rassen in Deutschland
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Um auf nationaler Ebene auf die Situation des Verlustes von Nutztierrassen hinzuweisen, gibt die GEH jährlich eine überarbeitete "Rote Liste der bedrohten Nutztierrassen im Bundesgebiet" heraus. Der Kriterienkatalog für die Zuordnung zu den Gefährdungskategorien wurde erstmals bereits 1987 erstellt. Eingeteilt werden die Rassen nach den Gefährdungskategorien: extrem gefährdet, stark gefährdet, gefährdet, zur Bestandsbeobachtung, nur noch Einzeltiere. Eine Rasse gilt als gefährdet, wenn die Population unter eine Mindestbestandzahl sinkt und sich innerhalb von 2 Jahren durchschnittlich um mindestens 10% verringert.
Tab. 2: Gefährdete Nutztierrassen in Brandenburg (Quelle: GEH 2011)
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Erhaltungsmöglichkeiten
Die Bemühungen zur Erhaltung von Haustierrassen sind weniger weit entwickelt als die der Pflanzengenetischen Ressourcen, da die systematischen Erhaltungsaktivitäten erst später begannen und die Erhaltungstechnologien komplizierter sind. Die wichtigsten Erhaltungsmaßnahmen für die Sicherung von Tiergenetischen Ressourcen sind die Ex-situ-Erhaltung in Form von Kryokonservierung und In-situ-Erhaltung in Form von Lebendhaltung.
Die Ex-situ-Erhaltung bewahrt das genetische Material außerhalb ihres natürlichen Lebensraumes durch Kryokonservierung auf. Es werden v.a. Sperma und Embryonen in entsprechenden Gendatenbanken in flüssigem Stickstoff bei minus 197 Grad Celsius tiefgekühlt gelagert. Die Ex-situ-Erhaltung ist eine wichtige unterstützende Erhaltungsmaßnahme in Ergänzung zur Lebendhaltung.
Für eine langfristige Zucht benötigt man jedoch Nutztiere, die sich an die wechselnden Umweltbedingungen anpassen können. Deshalb ist es unverzichtbar, lebende Tiere in-situ zu erhalten, damit die Zucht als dynamischer Prozess funktionieren kann. Die In-situ-Erhaltung erfolgt insbesondere in Form von Haltung kleiner Tiergruppen in Zoos und Haustierparks oder landwirtschaftlichen Betrieben. Seit über 15 Jahren wird auf mittlerweile über 80 Arche-Höfen der GEH erfolgreiche In-situ-Erhaltung geleistet.In Europa widmet sich die Organisation SAVE (Safeguard for Agricultural Varieties in Europe) einer kooperationsorientierten Erhaltungsarbeit der agrarbiologischen Vielfalt.