Gesetz zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechtes
Am 13.02.2012 wurde das Gesetz zur Neuordnung des Pflanzenschutzrechtes vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148) im Bundesgesetzblatt verkündet und ist damit seit dem 14.02.2012 gültig. Gleichzeitig wurde das bisherige Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) aufgehoben.
Es handelt sich dabei nicht nur um eine geringfügige Änderung des PflSchG, sondern um eine völlig neue Verkündung. Dieser Schritt war eine notwendige Konsequenz aus der Verabschiedung des EU-Pflanzenschutzpakets 2009, das u. a. die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (im Folgenden: EU-Verordnung) enthielt, welche grundsätzliche Regelungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln enthält. Da diese Verordnung unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten – also auch in Deutschland – gilt, werden deren Regelungen im neuen PflSchG nicht wiederholt. Das PflSchG verweist an mehreren Stellen auf die EU-Verordnung und konkretisiert teilweise ihre Regelungen. Außerdem dient die Neufassung des PflSchG der nationalen Umsetzung der Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden sowie weiterer Rechtsvorschriften der Europäischen Union.
Einige wichtige Neuerungen werden im Folgenden genannt.
Sachkunde
Bisher konnten berufliche Verwender von Pflanzenschutzmitteln sowie Händler und Berater ihre Sachkunde im Pflanzenschutz durch eine bestandene Sachkundeprüfung, einen entsprechenden Berufsabschluss (z. B. Landwirt, Gärtner, Forstwirt) oder ein abgeschlossenes Fachhochschul- oder Hochschulstudium in einer agrarwissenschaftlichen Studienrichtung nachweisen. Mit dem neuen Pflanzenschutzgesetz wird eine Bescheinigung durch den Pflanzenschutzdienst verpflichtend. Personen, die nach bisher geltendem Recht sachkundig im Pflanzenschutz sind, können bis 26. Mai 2015 unter Vorlage ihres bisherigen Sachkundenachweises eine entsprechende Bescheinigung bei der zuständigen Länderbehörde (in Brandenburg: Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung – LELF) beantragen. Zusätzliche Anforderungen werden nicht gestellt. Bisherige Sachkundenachweise behalten bis 26. November 2015 ihre Gültigkeit. Wie die Bescheinigungsregelung umgesetzt werden soll, befindet sich derzeit noch in Abstimmung.
Neu ist überdies die verpflichtende Fort- und Weiterbildung. Sachkundige Personen müssen in einem Zeitraum von 3 Jahren ab der erstmaligen Ausstellung des Sachkundenachweises mindestens eine amtlich anerkannte Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme wahrnehmen und dies der zuständigen Behörde auf Verlangen nachweisen. Ansonsten droht der Entzug der Sachkunde.
Gemäß § 23 Abs. 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel, die nur für die professionelle Anwendung zugelassen sind, nur an sachkundige Personen abgegeben werden.
Dokumentationspflicht
Die Aufzeichnungspflicht für Anwender von Pflanzenschutzmitteln ist bereits seit 2008 im deutschen PflSchG verankert. Gemäß EU-Verordnung müssen nun auch Hersteller, Lieferanten, Händler, Ausführer und Einführer von Pflanzenschutzmitteln über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren entsprechende Aufzeichnungen führen. Die Aufbewahrungsfrist der Aufzeichnungen von beruflichen Verwendern von Pflanzenschutzmitteln (z. B. Landwirte, Gärtner) hat sich von 2 auf 3 Jahre erhöht, gerechnet von dem Jahr, das auf das Entstehen der Aufzeichnungen folgt. Aufzeichnungen über die 2012 angewandten Pflanzenschutzmittel müssen demnach bis zum Ablauf des Jahres 2015 aufbewahrt werden. In dieser Dokumentation über die angewandten Pflanzenschutzmittel müssen mindestens folgende Angaben enthalten sein:
- Bezeichnung des Pflanzenschutzmittels,
- Zeitpunkt der Verwendung,
- verwendete Menge
- behandelte Fläche (Bezeichnung / Größe),
- behandelte Kultur.
Die Aufzeichnungspflicht gilt für den Anwender. Das PflSchG legt in § 11 fest, dass der Leiter eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betriebes verpflichtet ist, die Aufzeichnungen für die bewirtschafteten Flächen seines Betriebes unter Angabe des jeweiligen Anwenders zusammen zu führen.
Abverkaufsfrist und Aufbrauchfrist
In § 28 Abs. 4 regelt das neue PflSchG, dass ein Pflanzenschutzmittel nach dessen Zulassungsende durch Zeitablauf bzw. nach Zulassungswiderruf auf Antrag des Zulassungsinhabers noch für 6 Monate weiter in den Verkehr gebracht werden darf. Dies gilt für Ware, die sich zum Zeitpunkt des Endens der Zulassung bereits im freien Warenverkehr befunden hat. Eine derartige Abverkaufsfrist existierte in Deutschland bisher nicht.
Zudem regelt § 12 Abs. 5 PflSchG die Aufbrauchfrist für Pflanzenschutzmittel, deren Zulassung abgelaufen bzw. auf Antrag des Zulassungsinhabers widerrufen worden ist. Demnach darf ein solches Pflanzenschutzmittel noch innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten, gerechnet ab dem Tag des Zulassungsendes, angewandt werden. Bisher galt eine Aufbrauchfrist bis zum Ende des zweiten Jahres nach Zulassungsablauf. Nunmehr ist zu beachten, dass die Aufbrauchfrist auch mitten in der Saison enden kann (nicht unbedingt zum Jahresende!). In der Aufbrauchfrist ist die sechsmonatige Abverkaufsfrist enthalten.
Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in besonderen Gebieten
In § 22 Abs. 1 PflSchG ermächtigt der Gesetzgeber die Bundesländer, besondere Vorschriften über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten nach wasserrechtlichen bzw. naturschutzrechtlichen Bestimmungen sowie Einzelheiten zur Pflanzenschutzmittelanwendung an Gewässern zu erlassen.
Zudem wird in § 17 PflSchG die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, stärker beschränkt. Auf derartigen Flächen dürfen nur Präparate zum Einsatz kommen, die nach Art. 47 der EU-Verordnung als Pflanzenschutzmittel mit geringem Risiko zugelassen worden sind oder die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ausdrücklich für diese Anwendungen zugelassen oder genehmigt worden sind. Dabei zählen zu den Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, insbesondere öffentliche Parks und Gärten, Sportplätze einschließlich Golfplätze, Schul- und Kindergartengelände, Spielplätze, Friedhöfe sowie Flächen in unmittelbarer Nähe von Einrichtungen des Gesundheitswesens. Das grundsätzliche Anwendungsverbot für Pflanzenschutzmittel auf Freilandflächen, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden (sog. Nichtkulturland) – im neuen PflSchG in § 12 Abs. 1 verankert – bleibt unberührt.
Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen
§ 18 des neuen PflSchG spricht ein grundsätzliches Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen aus. In einem eng abgesteckten Rahmen haben die zuständigen Behörden der Bundesländer die Möglichkeit, auf Antrag Ausnahmen von diesem Verbot zu genehmigen – speziell im Kronenbereich von Wäldern und in Steillagen im Weinbau. Solche Genehmigungen dürfen nur für Pflanzenschutzmittel erteilt werden, die vom BVL ausdrücklich für die Ausbringung mit Luftfahrzeugen zugelassen bzw. genehmigt worden sind. Details zum Genehmigungsverfahren werden in einer bundesweiten Verordnung geregelt, die derzeit noch nicht erlassen ist. In Brandenburg existiert bereits seit 1994 eine Verordnung, welche die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen von einer Genehmigung abhängig macht und die Möglichkeit der Erteilung einer solchen Genehmigung auf Anwendungen beschränkt, bei denen der Einsatz von Bodentechnik nicht möglich bzw. unpraktikabel ist.
Inverkehrbringen und Anwendung von mit Pflanzenschutzmitteln behandeltem Saatgut / Pflanzgut / Kultursubstrat
Mit einem Pflanzenschutzmittel behandeltes Saatgut, Pflanzgut oder Kultursubstrat darf nur gehandelt werden, wenn das Pflanzenschutzmittel in Deutschland für das entsprechende Anwendungsgebiet zugelassen ist, sich in der Aufbrauchfrist befindet oder in einem anderen EU-Mitgliedsstaat nach europäischem Recht für dieses Anwendungsgebiet zugelassen ist (§ 32 PflSchG). Wenn die Zulassung des Mittels ruht oder von Amts wegen widerrufen worden ist, darf entsprechend behandeltes Saatgut, Pflanzgut oder Kultursubstrat weder gehandelt noch ausgebracht werden.
Parallelimporte / Import von Pflanzenschutzmitteln für den Eigenbedarf
Die Regelungen zu Parallelimporten – also Importen von in anderen EU-Mitgliedsstaaten zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, die in ihrer Zusammensetzung einem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel entsprechen – sind in den §§ 46 bis 50 PflSchG verankert und haben sich gegenüber bisherigem Recht nicht grundlegend geändert.
In § 51 PflSchG ist der Import von Pflanzenschutzmitteln nach o. g. Maßstab für die Verwendung im eigenen Betrieb der Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder des Gartenbaus geregelt. Auch hierfür ist wie für professionelle Parallelimporte eine Importgenehmigung durch das BVL erforderlich, die allerdings nur für den Betrieb des Antragstellers gilt. Eine Umkennzeichnung des Mittels nach deutschem Recht ist nicht erforderlich, allerdings muss im Betrieb bei Lagerung und Anwendung des Präparats die Gebrauchsanleitung des deutschen Referenzmittels vorliegen.
Zulassung / Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln außerhalb des regulären Zulassungsverfahrens
Mangel an Bekämpfungsmöglichkeiten für bestimmte Schadorganismen in Kulturen mit geringem Anbauumfang sowie Notfallsituationen im Pflanzenschutz erfordern in eng begrenztem Umfang die Ausweisung von Pflanzenschutzmitteln außerhalb des regulären Zulassungsverfahrens. In den meisten Fällen ist hier unmittelbar EU-Recht anzuwenden, so der Art. 53 der EU-Verordnung, der bei Notfallsituationen im Pflanzenschutz die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels für maximal 120 Tage ermöglicht und bereits zum 14.06.2011 die bisherige Regelung des § 11 Abs. 2 des alten PflSchG abgelöst hat. Die Regelungen des Art. 51 EU-Verordnung zur Ausweitung des Geltungsbereichs von Zulassungen ersetzen die bisherigen Regelungen des § 18 a (altes PflSchG).
Das neue PflSchG eröffnet den Länderbehörden in § 22 Abs. 2-6 auch die Möglichkeit, einzelbetriebliche Genehmigungen von Pflanzenschutzmitteln in Kleinstkulturen zu erteilen, was inhaltlich weitestgehend dem bisherigen § 18 b PflSchG (alt) entspricht.