Invasiver Schaderreger - Erstnachweis der Eiablage der Marmorierten Baumwanze Halyomorpha halys im Freiland für das Jahr 2021 – Aufruf zu Meldungen !
Wichtige Informationen des LTZ Augustenberg vom 14.06.2021
Am 14.06.2021 wurden in der kleinen aber feinen und derzeit blühenden Kiwianlage des LTZ Augustenberg in Durlach ein frisches Eigelege der Marmorierten Baumwanze (Halyomorpha halys) gefunden. Nach dem kühlen April hatte sich Auftreten der Wanzen verzögert. Erste Eiablagen werden in der Regel für Anfang Juni erwartet. Bei einer warmen Witterung könnten die aktuellen Eiablagen von Mitte Juni teilweise in eine zweite Generation münden. Südlich der Alpen ist dies die Regel.
Bisher gab es im deutschlandweiten Monitoring der Marmorierten Baumwanze, das vom LTZ Augustenberg im Rahmen des BMEL-Projektes „ProgRAMM“ koordiniert wird, nur einen Balkonfund von Kiwi mit Wanzenbefall aus dem Jahr 2019 und weitere Funde vor allem der ebenfalls invasiven Grünen Reiswanze Nezara viridula, alle im Raum Karlsruhe. Damit ist den emsigen Kolleginnen und Kollegen des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg (LTZ) nach dem letztjährigen Fund des eingeschleppten natürlichen Gegenspielers, der „Samuraiwespe“, ein weiterer interessanter Fund als bundesweiter Erstnachweis in einer gewerblich ausgerichteten Kiwianlage gelungen.
In Italien wurden bereits 2016 gut 40% der Birnen- und Kiwi-Ernte vernichtet. Die Schäden sind in Italien zum Glück nicht jedes Jahr so hoch, aber regional überlegen betroffene Produzenten bereits auf bestimmte Kulturen wie Haselnuss und Birne aufgrund der regelmäßigen Schäden zu verzichten. In Neuseeland hat man eine begründete Angst um die Kiwi als wichtige Exportfrucht, neben den Äpfeln. Das erste Auftreten der Marmorierten Baumwanze in einer Kiwi-Anlage in Deutschland zeigt ihr breites Wirtsspektrum und dass auch hier mit Schäden in fast allen Obst- und Gemüsekulturen zu rechnen sein dürfte. Es bleibt zu hoffen, dass nördlich der Alpen die Schäden etwas geringer ausfallen.
Im nächsten Schritt wollen die Augustenberger Forscher um Dr. O. Zimmermann versuchen, Lösungen für die mehr als spannende Frage zu finden, warum Halymorpha gerade jetzt auf Kiwi-Blättern ihre Eier abgelegt hat, obwohl – so die bisher gängige Fachliteratur - andere Früchte mit dem ersten Fruchtansatz vermeintlich interessanter sein sollten. Die geplante Vorhersage des Auftretens der Wanzen durch eine Computer-Modellierung durch das JKI als Leitung des BMEL-Projektes „ProgRAMM“ scheint sehr schwierig zu sein. Gleichzeitig wurde am LTZ unter Leitung von Dr. C. Dieckhoff das Projekt „BC-InStink“ zur Zuordnung von Wanzenschadbildern und der Entwicklung von Bekämpfungsstrategien gestartet. Im Bereich der praxisorientierten Forschung zur Marmorierten Baumwanze Halyomorpha halys ist das LTZ Augustenberg damit deutschlandweit führend.
Weitere Arbeiten sollen Aufschluss geben über das Ausmaß der Verbreitung und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Marmorierte Baumwanze in Deutschland, um in der Folge die massive Vermehrung inzwischen bis ins Ruhrgebiet, nach Hannover und Berlin möglichst durch einen biologischen Eingriff zu begrenzen.
Ein besonders Interesse kommt dabei dem letztjährigen Erstfund der „Samuraiwespe“ Trissolcus japonicus zu, die nun von mehreren Fundstellen in Baden-Württemberg und einem Nachweis in Wiesbaden für Hessen 2020 in zwei Bundesländern nachgewiesen wurde. Die Samuraiwespe ist einer von zwei bekanntem wirksamen natürlichen Gegenspielern der invasiven Wanzen aus Asien und tötet durch Parasitierung die Eigelege ab. Neben den bereits nachgewiesenen unbeabsichtigten Verschleppungen nach Europa wäre die wissenschaftlich begleitete, gezielte und damit dauerhafte Etablierung an weiteren befallenen Standorten eine elementare Perspektive um den sich fast unaufhaltsam weiterverbreitenden invasiven Schaderreger mit Hilfe einer natürlichen Kontrolle zu regulieren. Hierzu laufen weitere Untersuchungen und es findet regelmäßig ein internationaler fachlicher Austausch statt.
Die Genehmigungsverfahren zur zusätzlichen Freisetzung der Samuraiwespe laufen international sehr unterschiedlich. Neben einer Freigabe in Neuseeland noch vor Eintreffen der Wanze über Freisetzungen in Italien bis hin zu kleineren Versuchen in der Schweiz, bestehen in Deutschland noch Bedenken bzgl. der Wirkung auf andere Stinkwanzen, obwohl nach Forschungsdaten ein überschaubares Risiko vertretbar erscheint. Obwohl heimische Eiparasiten mit der neuen Wanze nicht gut zurechtkommen und sogar beim Versuch der Parasitierung absterben und eine geringere Fitness zeigen, wird die Marmorierte Baumwanze noch nicht als invasiv im Sinne des Naturschutzes anerkannt. Heimische Nützlinge können durch die Marmorierte Baumwanze geschädigt werden, weil sie biologisch für heimische Eiparasitoiden eine „Einbahnstraße“ darstellt, wenn sie sich in ihr nicht weiterentwickeln können. Hier besteht weiter Gesprächsbedarf das Prinzip des biologischen Pflanzenschutzes bei invasiven Schaderregern den Beteiligten fachlich zu erläutern.
Die Marmorierte Baumwanze H. halys hat also gerade erste Eier im Freiland abgelegt. Nymphen sind derzeit noch keine zu finden. Interessierte Praktiker sind aufgerufen Verdachtsfotos von Eigelegen, ggf. mit aufsitzenden schwarzen Schlupfwespen oder Wanzenlaven, den sogenannten Nymphen, zur digitalen Bestimmung unter pflanzenschutz-insekten@ltz.bwl.de an das LTZ Augustenberg einzusenden.