Wintergetreide - Aussaat und Ungräser
Wichtige Informationen aus dem Landkreis Ravensburg vom 22.10.2024
„Dieses Jahr ist es fast unmöglich unter den feuchten Bedingungen ein optimales Saatbett mit einem idealen Anteil Feinerde und Rückverfestigung für Wintergerste und Winterweizen herzustellen,“ so der versierte Pflanzenschutzberater M. Kreh vom Landwirtschaftsamt Ravensburg. „Optimale Keimbedingungen durch ausreichend Bodenschluss zu schaffen um ein rasches und gleichmäßiges Auflaufen zu ermöglichen, ist schlichtweg kaum möglich.“
Trotzdem wurde in den vergangenen Tagen einiges an Winterungen gesät. In den nächsten Tagen steht noch auf vielen Silomais-Flächen die Aussaat von Wintergerste an. Hierbei sollten unter den jetzigen Bedingungen die Aussaatstärken deutlich nach oben angepasst werden, Informationen hierzu erhalten Sie bei den Sortenbeschreibungen der Züchterhäuser. (bei Wintergerste 360-400 keimfähige Körner/m²). Allgemein ist die Qualität des Saatbettes wichtiger als die Saatzeit, gerade Wintergerste reagiert empfindlich auf Verdichtungen und Staunässe und leidet dann an der zu geringen Sauerstoffversorgung der Feinwurzeln. Zumindest ein Vorteil dieser verspäteten Aussaattermine ist der geringere Druck an Virusbelastungen durch Blattläuse und der geringe Druck auf Ackerfuchsschwanz-Problemstandorten. Die Anlage eines falschen Saatbettes war unter den diesjährigen Bedingungen kaum möglich, weil die mechanisch bekämpften Ungräser an der Oberfläche nie abtrocknen konnten. Auch das in den Vorjahren empfohlene Anwalzen nach dem Säen kann dieses Jahr nicht empfohlen werden, die Verdichtungen wären für den Auflauf der Saat eher kontraproduktiv. Auf einzelnen gewalzten Feldern sind schon Spuren von Wasserabflüssen (Erosion) zu sehen. Bei der chemischen Bekämpfung der Unkräuter und Ungräser liegt der Standard bei der Behandlung im Vorauflauf oder frühen Nachauflauf (spätestens zum 1-Blattstadium der Kultur) mit bodenwirksamen Herbiziden. Gerade hierzu sind die Bedingungen aktuell und in den nächsten Tagen mit feuchten Böden und Niederschlag sehr günstig, am Wasser fehlt es sicherlich nicht. Die Bodenfeuchte wird unbedingt für eine gute Gräserwirkung dieser Produkte benötigt. Optimal wäre hierzu noch ein gut abgesetztes Saatbett ohne grobe Schollen/Kluten, damit ein perfekter Wirkstoff-Film, ohne Spritzschatten, auf den Boden appliziert werden kann. Doch gerade diese Herbstbehandlungen sind wichtig um auf resistenzgefährdete Wirkstoffe im Frühjahr verzichten zu können. Die Ungräser können gerade bei früherer Saat im März dann schon zu weit entwickelt sein. Lediglich bei Weizen-Spätsaaten sind die Frühjahrsbehandlungen effektiver. Der federführende Wirkstoff bei der Gräserbehandlung (speziell Ackerfuchsschwanz) im Herbst ist Flufenacet, enthalten in den Solo-Produkten Cadou SC/Bakata, Franzi/Fence und Sunfire. Das Ziel ist es diesen Wirkstoff mit 240g/ha einzusetzen. Ergänzend kommen hier noch die breiter agierenden Wirkstoffe Pendimethalin (Stomp), Diflufenican, Prosulfocarb (Boxer), Picolinafen (Pontos, Quirinus) und Aclonifen (Mateno) hinzu. In der Kombination entstehen dann die geläufigen Produkte wie Herold SC, Boxer+Cadou SC, Malibu, Mateno Duo+Cadou SC, Pontos+Quirinus. Beachten Sie die Gelbfärbung einige Tage nach der Anwendung von Pendimethalin-haltigen Produkten. Die beste Wirkung gegen Ackerfuchsschwanz zeigte die Kombination aus 0,5 l/ha Cadou SC und 2,5 l/ha Boxer. Kombinationen aus Boxer und Herold sind mit großer Vorsicht zu genießen, hier kann es zu Pflanzenschäden kommen, vor allem bei flacher Saatablage und folgenden üppigen Niederschlägen. Auch bei anderen Wirkstoffen kann es nach der Applikation und starken Niederschlägen zu guten Wirkungen gegen Gräser aber auch zu Kulturschädigungen durch Einwaschungen in den Saathorizont kommen. Beim Einsatz der Wirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb gilt es folgende Vorgaben zur Vermeidung der Veflüchtigung und von Schäden an Nachbarkulturen bei der Anwendung zwingend einzuhalten: 90% Abdriftminderung ganzflächig, mind. 300 L/ha Wasseraufwand, max. 7,5 km/h Fahrgeschwindigkeit und max. 3 m/s Windgeschwindigkeit! Kann der Einsatz erst im späteren Nachauflauf (2-3-Blatt-Stadium) stattfinden und Ackerfuchsschwanz nicht das große Problem ist, steht auch der Wirkstoff Chlortoluron zu Verfügung. Dieser zeigt gegen Windhalm eine sichere Wirkung. Hierbei unbedingt die Unverträglichkeit bei gewissen Weizensorten beachten! Chlortoluron darf auf drainierten Flächen nicht angewendet werden! Wenn die passenden Bedingungen bezüglich Bodenfeuchte im frühen Vorauflauf für die besagten Wirkstoffe nicht passen, ist der Notfallplan, dass blattaktive Gräser-Behandlungen zu einem späteren Stadium in Richtung Vegetationsende durchgeführt werden (Nikolausspritzung). Diese Maßnahmen sind nicht von daher nicht empfehlenswert, weil hierbei bereits auf Wirkstoffgruppen zugegriffen wird, die normalerweise nur im Frühjahr angewendet werden und die resistenzgefährdeter sind. Dies sind in Winterweizen z.B. Traxos und in Wintergerste Axial 50. Hier wird dann zur Abdeckung gegen Zweikeimblättrige noch eine Zumischung der oben beschriebenen breiter wirkenden Komponenten erforderlich. Die Wirkungen können zu diesem Zeitpunkt aber sehr gut sein, da die Ungräser die Wirkstoffe durch die Wachstumsruhe nicht mehr abbauen können, die Kulturpflanze durch die Formulierung des Herbizids aber vor Schäden geschützt bleibt. Weitere Informationen zur Herbizidbehandlung erhalten Sie in der Broschüre „Integrierter Pflanzenschutz 2024“ auf den Seiten 47-51.
Bitte informieren Sie sich vor dem Herbizideinsatz genau über die Anwendungsbestimmungen bzw. die Abstandsauflagen zu Gewässern. Diese können produktspezifisch trotz ähnlicher Inhaltsstoffe voneinander abweichen. Das Landwirtschaftsamt als zuständiger Pflanzenschutzdienst ist verpflichtet stichprobenweise mittels Probenzug diese Bestimmungen zu kontrollieren. Etwaige Verstöße sind bußgeldbewehrt und führen zu Kürzungen bei den Prämienzahlungen.
Bedingt durch die anhaltend feuchte Witterung und durch grobscholliges Saatbett müssen nach dem Auflaufen der Druck durch die Schnecken beobachtet werden. Bestände mit früh gesäten und nun aufgelaufenen Wintergerste
gilt es regelmäßig auf Blattläuse zu kontrollieren. Wenn milde Temperaturen und sonniges Wetter vorherrscht, werden diese in die Bestände hineingelockt. Wichtig ist hierbei, dass die im vorigen Warndienst angesprochenen virustoleranten Wintergersten nicht mit Insektiziden behandelt werden sollten. Auch hier gilt der Hinweis auf keinen Fall standardmäßig Insektizide bei den Herbizidbehandlungen „mitzunehmen“. Fachlich ist es sowieso falsch dies zu kombinieren, da die Herbizide früh zum Auflaufen angewendet werden sollten, die Insektizide bei Überschreiten der Bekämpfungsrichtwerte aber erst ab dem 3-4-Blatt-Stadium der Kultur! Sehr gerne dürfen aber Mikronährstoffe, wie z.B. Mangan in die Spritze zugemischt werden, dies fördert die Vitalität und Stresstoleranz der Bestände unter widrigen Bedingungen.
Der Ausblick auf die Zukunft der Herbizide verheißt nichts Gutes: der oben angesprochene wichtige Wirkstoff Flufenacet wird in Zukunft nicht mehr zur Anwendung stehen. Beim routinemäßigen Verfahren zur Erneuerung der Zulassung in der EU hat die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) veröffentlicht, dass Flufenacet unter die Ausschlusskriterien der Zulassungsverordnung fällt. Hiermit wird eine Erneuerung der Genehmigung in Europa ausgeschlossen. Ein Großteil der Herbizide im Herbst mit Bodenwirkung basieren auf diesem Wirkstoff und garantieren ein Resistenzmanagement im Bereich der Ungräser. Eine Anwendung im Herbst 2024 ist auf jeden Fall noch möglich. Der Konzern Bayer geht aktuell davon aus, dass mit Abverkaufs- und Aufbrauchfristen eine Anwendung im Herbst 2025 auch noch möglich sein müsste. Gewiss ist dies aber noch nicht. Die großen Chemiekonzerne tüfteln schon an gleichwertigen Ersatzprodukten, die Entwicklung und Zulassung dieser geht aber nicht so flott vonstatten, wie die Praxis es sich wünschen würde. Zwischenzeitlich werden die Empfehlungen dann in Richtung Spritzfolgen im Herbst von Boxer, Stomp, etc. gehen. Aus diesem Grunde müssen wir uns in Zukunft noch mehr Gedanken über integrierte Ansätze und auch mechanische Maßnahmen mit Striegel o.ä. im Vorauflauf oder Nachauflauf machen, die sicherlich bei solchen Bedingungen wie in diesem Herbst sehr herausfordernd sein werden.