Wintergerste – Abschlussbehandlung?
Wichtige Informationen aus dem Landkreis Ravensburg vom 02.05.2024
„Trotz der Wachstumsverzögerung durch die kalten Temperaturen befinden sich die meisten Wintergerstenbestände unmittelbar vor dem Grannenspitzen/Ährenschieben,“ so M. Kreh, versierter Pflanzenschutzberater im Landwirtschaftsamt Ravensburg. „Je nach Lage ist die Entwicklung um einige Tage auseinander, jedoch das Fahnenblatt ist bei nahezu allen Beständen voll entwickelt,“ so der Berater im Vorfeld seiner regional gültigen Empfehlungen.
Frühe Bestände im Schussenbecken spitzten bereits Mitte letzter Woche die Grannen. Zumeist sind erste Fungizid-Einsätze schon zu Schossbeginn gegen die häufig vorkommenden Netzflecken gefahren worden. Diese Behandlungen haben ihre Wirkung gezeigt, teilweise haben sich die Krankheiten auch wieder verwachsen. Die obersten drei Blätter sind zumeist gesund. An den älteren Blättern sind noch Infektionen ersichtlich.
Im Prognosemodell ISIP ist unter den Entscheidungshilfen für Wintergerste für die relevanten Blattkrankheiten die Berechnung einer Infektionsgefahr nachzuschauen.
Sollten Sie bislang noch keine Fungizidmaßnahme durchgeführt haben, ist nun höchste Zeit, um die Abschlussbehandlung zu planen. Hierbei kann das Fahnenblatt, sowie die für die Photosynthese wichtigen Grannen und auch die Ähre wirksam schützen. Betriebe, die aufgrund des Krankheitsdruckes bereits zu Beginn Schossen Fungizid appliziert haben, werden auch nun die zweite Behandlung durchführen. Auf diese Behandlung zwischen BBCH 39 (Fahnenblatt vollständig entwickelt) und 51 (Beginn Ährenschieben) kann in der Regel nicht verzichtet werden. Diese Maßnahme ist insbesondere wichtig, um die bedeutendste Gerstenkrankheit Ramularia um Griff zu behalten. Geschwächte Gerste ist empfindlicher gegenüber diesem Erreger als eine sehr gesunde. Die Infektion mit der „Sprenkelkrankheit“ erfolgt meist im Frühjahr und setzt sich weiter fort zu Beginn des Grannenspitzens. Aufgrund der langen Entwicklungsdauer erscheinen die Symptome als Sprenkel meist erst ab der Blüte. Hier sind also vorbeugende Maßnahmen unbedingt erforderlich. Wird erst bei Erscheinen behandelt ist es schon zu spät! Der Wechsel einer feuchten kühlen Witterung zu einer strahlungsreichen Zeit befeuert das Krankheitsgeschehen. Genau zu dieser Zeit müssen Fungizide mit einer guten protektiven Wirkungsweise appliziert werden. Diese Anwendungen sind hoch wirtschaftlich und unbedingt erforderlich. Falsch (zu spät terminierte) Behandlungen führen zum Absterben der obersten Blätter und auch der Grannen. Durch den Verlust des wertvollen Blattgrüns für die Photosynthese ergeben sich nennenswerte Ertragsverluste, die sich auf mind. 10 dt/ha bis zu 20 dt/ha erstrecken können (Zentrales Versuchsfeld Krauchenwies). Neben Ramularia kommen auch nicht-parasitäre Blattflecken vor, die durch starke UV-Strahlung und Stress erscheinen. Diese sind nicht immer ganz einfach von Ramularia-Symptomen im frühen Stadium zu unterscheiden.
Bei der Applikation ist eine gute Benetzung der Blätter und der Grannen sehr wichtig. Die eingesetzten Fungizide sollen wie eine Art Sonnenmilch gesehen werden und vor der Sonnenstrahlung schützen. Die Grannen der schiebenden Ähren sollten die oberen Blätter noch nicht bedecken. Das Ziel dieser Anwendung ist, dass die oberen 3 Blätter einen wirksamen Schutz erhalten, bei sehr hohen Ertragserwartungen auch die obersten 4 Blätter.
Zur Behandlung existieren die verschiedenen Wirkstoffgruppen, wie die Azole (besonders Prothioconazol und Mefentriconazol) und die Carboxamide. Strobilurine eignen sich seit Jahren nicht mehr wirksam zur Bekämpfung, weil bereits eine vollständige Resistenz vorliegt. Auf dem Markt ist seit letztem Jahr der Wirkstoff Folpet regulär zugelassen, erhältlich im Produkt Folpan 500 SC und Amistar Max. Folpet ist ein Kontaktwirkstoff, den den Schaderreger als sog. „multi-site-Wirkstoff“ an mehreren Stellen angreift und somit nicht resistenzgefährdet ist. Aufgrund dieser Lage ist die Zumischung des Wirkstoffs Folpet zu einer Fungizid-Kombination dringend empfohlen! Gleichzeitig werden zur Unterstützung Azole und Carboxamide benötigt, Solo-Einsätze von Folpet sind nicht ausreichend wirksam und werden nicht empfohlen.
Angewendet werden verschiedene Produkte mit den o.g. Wirkstoffen, In den Versuchen schnitten die Kombination aus drei Wirkstoffen (Azol+Carboxamid+Folpet) mit am besten ab. Wenn Sie bereits eine Maßnahme zu Schossbeginn gesetzt haben, sollte aus Gründen der Wirksamkeit und Resistenzvermeidung der Azol-Wirkstoff gewechselt werden. Bei bisher erfolgter 80%iger Aufwandmenge zu BBCH 30 bis 33, setzen Sie bei der jetzigen Behandlung auf die volle Aufwandmenge, im Sinne der wirksamen Ramularia-Bekämpfung. Da zumeist mit einem Prothioconazol (Input, Verben, Delaro, …) vorbehandelt wurde, ist jetzt auf den Wirkstoff Mefentrifluconazol (Balaya, Revytrex, …) zu setzen. Wurde die erste Behandlung hingegen mit z.B. Revystar oder Balaya gefahren, kann jetzt z.B. auf Elatus Era oder AscraXpro gesetzt werden. Wenn bislang noch keine Anwendung stattgefunden hat sind Sie in der Wahl der Azole frei und setzen dann auf jeden Fall auch den Wirkstoff Folpet hinzu (z.B. 1,5 l/ha Folpan 500SC) In den Versuchen ergaben sich keine großen Produkt-Unterschiede, viel wichtiger war der richtige Anwendungstermine.
Im Grundsatz des integrierten Pflanzenschutzes ist die Sortenwahl ein sehr wichtiger Aspekt um Pflanzenschutzmittel einzusparen. Bei Ramularia weist die Beschreibende Sortenliste geringe Unterschiede aus, die aber im Anbau auf den Versuchsfeldern leider bislang keine großen Unterschiede aufweisen konnten. Als integrierte Maßnahmen können vor dem Anbau der Gerste ein perfektes Stoppelmanagement zur Förderung der Strohrotte der Vorkultur und angepasste eher spätere Saat-Termine eine Befallsminderung erwirken. Ebenso ist eine optimal versorgte Pflanze widerstandsfähiger gegen den Ramularia-Erreger und die nicht-parasitären Blattflecken. Wenn die chemischen Wirkstoffe an ihre Grenzen kommen, die Resistenzen, auch bei den Azolen voranschreiten, wird in Zukunft mehr auf eine optimale Pflanzenernährung zur Pflanzenfitness und Stärkung der Zellwände im Fokus stehen. Hierzu zählen dann Bor, Kupfer, Silizium. Diese sorgen für stärke Zellwände, die dann widerstandsfähiger gegenüber äußeren Einflüssen sind. Eine überzogene N-Düngung führt zu größeren Zellen mit dünneren Zellwänden, welche dann anfälliger sind.